Ich denke einfach, der Spagat besteht darin, Daseinsvorsorge zu ermöglichen, die sich vom Grundsatz her dem Optimum klassischer Wirtschaftlichkeit entzieht -anders ginge es ja gar nicht- und dennoch ein Grad an Wirtschaftlichkeit nicht außer Acht zu lassen.

Nicht die Wettbewerbsfähigkeit und das Optimum an klassischer Wirtschaftlichkeit kann deshalb von vornherein Maßstab sein, sondern die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge, die ihren Namen verdient, an sich. Das andere kommt dann "als Beifügung" hinzu, nicht aber dass es umgekehrt ist.

Deshalb sehe ich in dem besagten Verfahren keine Benachteiligung kommerzieller Anbieter, die es ja sind, vielmehr nur das Anliegen, das Prinzip der Daseinsvorsorge nicht faktisch zunichte zu machen, weil kommerzielle Anbieter der Aufrechterhaltung einer zeitübergreifenden Grundleistung gleichgültig gegenüber stehen.

Vielleicht nochmals in etwas einfacheren Worten:
Das Prinzip der Daseinsvorsorge beißt sich mit dem Prinzip klassischen kommerziellen Wirtschaftens und das genau deshalb, weil auch geschäftlich nicht einträgliche Leistungen vorgehalten werden müssen.

Dennoch gibt es DARÜBERHINAUSGEHEND das Gebot wirtschaftlicher Geschäftsführung, der sparsamen Mittelverwendung, eben als hinausgehendes, nicht als grundlegendes. Das ist nicht nur ein semantischer Unterschied, sondern einer, der im Zuge des besagten Spagats bewältigt werden will.

Im Sinne einer Durchkommerzialisierung gemäß EU-Recht stünde die zeitübergreifende Aufrechterhaltung von Grundleistungen ebenso auf der Kippe wie die Vorhaltung von Infrastruktur. Deshalb werden bspw. im öffentlichen Personennahverkehr in Nahverkehrsplänen Leistungen definiert, die angeboten werden MÜSSEN, auch wenn sie sich rein betriebswirtschaftlich "nicht rechnen". Ein Überbleibsel davon findet sich ja auch noch in der besagten Postämter-Regelung, dass auf dem Papier Postämter in Städten nicht weiter als 2 km entfernt sein dürfen.

Ebenfalls nicht betriebswirtschaftlich begründet, wohl aber im Sinne der Daseinsvorsorge.

Von einer Bevorzugung öffentlicher Unternehmen kann deshalb m. E. gar nicht die Rede sein, wohl aber davon, sie, die die Grundleistungen wirklich erbringen, damit nicht allein im Regen stehen zu lassen.

Besagter Spagat, der vollzogen werden muss, liegt in der Schwerfälligkeit der EU-Gremien, genau das zu ändern, obwohl alle darum wissen. Immerhin: der wettbewerbswidrige Schutz lokaler und regionaler Anbau- und Fertigungsmethoden hat als kulturstiftendes Merkmal immerhin Eingang gefunden: die Verkachelung von Kuhställen und die Vorschrift, dass italienische Likörfabrikanten das statt traditionell in Tonkrügen in Stahlbehältern ansetzen müssen, das ist leider unterblieben.

Allein die Franzosen sind es, die innerhalb EINES GANZEN LANDES dasjenige anbieten und verkaufen dürfen, was überall außerhalb ihres Landes aus hygienischen Gründen verboten ist. Ein glatter Verstoß gegen das EU-Wettbewerbsrecht und puristisch durchexerziert als Protektionismus gegeißelt.

Sie würden allerdings eher aus der EU austreten als sich in ihrem Land ihren Käse verbieten zu lassen.

Ein Letztes noch:

Meiner Meinung nach wäre es gut, wenn (Landes-)Regierungen längerfristig diesen Spagat nicht zu machen bräuchten. Das ginge dann eben nur durch eine Neuregelung auf EU-Ebene und sich dafür einzusetzen, lohnte allemal und auch jegliche Kraftanstrengung.

Neben den identitätsstiftenden Kulturgütern (jahrhundertealte Bauten und mittlerweile auch regionale Speisen), die einer Durchkommerzialisierung entzogen sind, wäre dies die Anerkennung von identitätsstiftenden und -erhaltenden SOZIALGÜTERN, welche damit wiederum Teil einer Kultur wären.

Dasjenige, was damit gemeint ist, betrifft unweigerlich auch die Daseinsvorsorge, die vom klassischen EU-Wettbewerbsrecht in ihrem Kernbestand VERSCHONT bleiben muss.

Käme es EU-weit zu einer anderen Regelung, so wäre damit viel gewonnen. Nicht nur rechtliche und auch betriebswirtschaftliche Klarheit im puncto Daseinsvorsorge, mittelbar auch ein größeres Ansehen der Europäischen Union, die im öffentlichen Bewusstsein schwankt zwischen einem bürokratischen Monstrum und dass einem kurzfristigen Wirtschaften Tür und Tor geöffnet würde, tatsächliche WERTE also nichts zählten.

In diesem Sinne ein besinnliches Weihnachtsfest, mein Dank dem Einsteller und auch der Moderation
Helmut Krüger

Zu dem obigen Rambazamba nehme ich wie folgt Stellung:

Es bleibt einer Kommune in Brandenburg doch freigestellt, entsprechende Projekte durch oeffentliche Ausschreibungen durchzuführen, und dadurch eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Nur sollte, beispielsweise beim kommunalen Strassenbau, die oertliche Bauwirtschaft sowie das Handwerk (bezueglich Versorgungsleitungen) auch weiterhin entsprechend zum Zuge kommen koennen.

Holger Voss

"Nur sollte, beispielsweise beim kommunalen Strassenbau, die oertliche Bauwirtschaft sowie das Handwerk (bezueglich Versorgungsleitungen) auch weiterhin entsprechend zum Zuge kommen koennen."

Das sehe ich genau wie Sie auch, Herr Voss. Auch hier müssen die Gebietskörperschaften wie bei dem oben Beschriebenen ja auch oftmals einen großen Spagat eingehen und bspw. die Auftragslose entsprechend verkleinern und teilen, damit nicht rumänische oder lettische Firmen mit Dumpinglöhnen als günstigste Anbieter nach EU-Recht Aufträge erhalten, wobei dann die örtliche Bauwirtschaft leer ausgeht.

Für mich ergibt sich da eine Parallele: Nach den Vorstellungen des klassischen und sogar weltweit organisierten Wettbewerbs, nachdem AUSSCHLIESSLICH ( d. h. den höheren Wert vor Ort also ausschließend) würde auch der letzte Kantstein noch aus China, von den Philippinen oder von sonstwoher eingebaut. Daseinsvorsorge hieße also nicht nur, dass die entsprechende Bauleistungen für die Bürger erbracht werden, sondern im Zuge dieser Bauleistungen auch entsprechende Sozialleistungen, die mit den Menschenrechten und der Menschenwürde in Einklang stehen. Es wäre m. E. zu kurz gegriffen, sich da durch BILLIGE(nde) Inkaufnahme des Gegenteiligen -Inkaufnahme im wahrsten Wortsinn- herauszureden.

Gesetzlichkeiten zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge sind eigentlich ein Instrument zur Verzerrung des Wettbewerbs. Sicherlich besteht in bestimmten Fällen auch eine Daseinsberechtigung und Notwendigkeit.
Im Bereich der Kommunalen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung dreht sich die Preisspirale für einige Verbände unaufhörlich. Der Grund ist die komplette Abkopplung vom Wettbewerb und fehlende Kontrolle der Kommunalaufsicht. Die Berliner Wasserbetriebe werden durch das Kartellamt kontrolliert und müssen bei einem Kubikmeterpreis von 4,88 € 19 % vom Preis herunter. Andere kommunale Unternehmen fordern von den Bürgern 8,44 € mit steigender Tendenz und mit Duldung der Kommunalaufsicht.
Kommunale Daseinsvorsorge kann nicht zu Lasten der Bürger gehen. Solidarität ja, aber nicht um schlechtes Management in unrentablen Verbänden zu fördern.