Sehr geehrte Frau Thomas,
Sie schildern in Ihrem Beitrag eine Reihe von kommunalen Problemen, die die Bürgerinnen und Bürger täglich umtreibt. Danke für Ihre Gedanken, die Sie sich als ´Normalbürgerin Lieschen Müller´ zum Zusammenleben in Brandenburg gemacht haben, auch wenn ich Ihre Schlussfolgerungen nicht in Gänze teilen kann. Wenn ich Ihre Ausführungen unter eine Überschrift stellen sollte, würde ich sagen: ´Wie gelingt es uns gemeinsam, unsere ländlichen Regionen attraktiv und lebenswert zu erhalten und auch da mit der Zeit zu gehen?´
Sie bedauern die Abwanderung junger Leute aus den ländlichen Gebieten, die nach Ihrer Erfahrung zuerst finanzielle Ursachen hat. Ich denke jedoch, es gibt für junge Frauen und Männer eine ganze Reihe von Gründen, die die Entscheidung beeinflussen. Zumeist sind es soziale Bindungen, gute Ausbildungsmöglichkeiten, ein sicherer Arbeitsplatz, eine ausgebaute Infrastruktur, kurz eine gewisse Lebensqualität, die die Menschen veranlasst, ihrer Heimat treu zu bleiben. Andererseits ist es heute natürlich viel einfacher, sich auch an anderer Stelle eine neue Existenz aufzubauen. Insofern sehe ich die von Ihnen beschriebenen grundstücksbezogenen Abgaben dabei eher untergeordnet, wenngleich ich nachvollziehen kann, dass Beitragsforderungen insbesondere bei weniger günstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen für die Betroffenen sehr belastend sein können.
Stellen wir uns also zunächst die Frage, warum Brandenburgerinnen und Brandenburger hier im Land bleiben. Lassen Sie es mich am Beispiel des Fachkräftebedarfs umreißen. Die erste gemeinsame Fachkräftestudie für die Region Berlin-Brandenburg prognostiziert steigende Bedarfe. Bis 2015 wird damit gerechnet, dass 270.000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, bis 2030 sogar bis zu 460.000, weil entweder Arbeitskräfte fehlen oder die entsprechenden Qualifikationen nicht vorhanden sind - sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das zeigt, dass jeder gut ausgebildete Mensch auch gute Chancen auf dem brandenburgischen Arbeitsmarkt hat. Unternehmen und Verwaltungen werden immer schärfer um qualifizierte Frauen und Männer konkurrieren. Auch junge Leute haben also verstärkt Chancen, sich im Brandenburger Arbeitsmarkt zu integrieren. Deutlich wird das an sinkenden Arbeitslosenzahlen aber auch am Bundesländer-Ranking: So war Brandenburg 2010 und 2011 „dynamischstes Bundesland“.
Soweit zum Thema Abwanderung. Ich will aber auch um Ihre Fragen zu den grundstücksbezogenen Abgaben keinen Bogen machen. Ich entnehme Ihren Ausführungen, dass Sie es als ungerecht empfinden, dass die Beitragsforderungen für größere Grundstücke höher ausfallen als für vergleichsweise kleine. Unabhängig davon, dass das Empfinden, was sich als gerecht oder ungerecht darstellt, immer auch von der Sichtweise des Betrachters abhängt, muss meine Antwort auf diesen Grundsatz Bezug nehmen. Bei der Beitragsbemessung ist der aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz resultierende Grundsatz der Abgabengerechtigkeit maßgeblich. Dementsprechend sieht das Kommunalabgabengesetz vor, dass Beiträge nach den jeweiligen Vorteilen zu bemessen sind. Das bedeutet, dass der umlagefähige Aufwand nicht auf alle Grundstücke in gleicher Höhe verteilt wird. Die Kommune muss vielmehr einen Maßstab für die Verteilung finden, der die Unterschiede der Grundstücke berücksichtigt. Aus der Größe oder Lage ergibt sich schließlich eine differenzierte Nutzbarkeit. Die unterschiedlichen Nutzungen können wiederum zu unterschiedlichen Beiträgen führen, die für die Refinanzierung der getätigten Investitionen in die Versorgungsinfrastruktur erhoben werden. Die von Ihnen angeregte Kappungsgrenze im Sinne einer Beitragsobergrenze würde gegen das beschriebene Vorteilsprinzip und damit gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn dieser bedeutet auch, dass Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf.
Sehr geehrte Frau Thomas und stellvertretend durch Sie an alle Bürgerinnen und Bürger in den ländlichen Regionen Brandenburgs! Ihnen gilt mein Dank für engagiertes Mitdenken und Mittun. Auch wenn wir nicht in allen Punkten einer Meinung sind, so ist mir doch der Austausch mit Ihnen sehr wichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Platzeck
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am 23. Februar 2012
1.
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