Sehr geehrte Frau Fuchs,
mich erreichen zahlreiche Schreiben, deren Inhalt Ihren kritischen Überlegungen zur Schulämterreform ähnelt. Ich nehme deshalb gern die Gelegenheit wahr, an dieser Stelle für Sie und einen größeren Kreis interessierter Bürgerinnen und Bürger darauf einzugehen. Gestatten Sie mir einige wenige Sätze voran zu stellen, um den Hintergrund, vor dem Sie Ihre Frage stellen, deutlich zu machen. Unser Land Brandenburg muss – wie andere Bundesländer auch - mit gravierenden demografischen Herausforderungen umgehen. Und doch gibt es bei uns eine Besonderheit, die die Aufgabenstellung eher noch schwieriger macht. Wir haben es mit zwei völlig gegenläufigen Tendenzen zu tun: Einerseits die Regionen rings um die Bundeshauptstadt, die sich über Babyboom, Zuzüge und eine rasante Entwicklung freuen können. Andererseits Regionen weit entfernt von Berlin, die – von Ausnahmen abgesehen - mit Abwanderung und einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung umgehen müssen. Um unter diesen Bedingungen annähernd gleiche Lebensbedingungen für die Menschen zu gewährleisten, bedarf es kluger, voraus schauender Politik und eines sparsamen und zielgerichteten Einsatzes aller Mittel. Die Landesregierung stellt sich dem und handelt entsprechend. Das heißt konkret: Unsere Entscheidungen zielen nicht darauf ab, den Menschen in dünn besiedelten Regionen das Leben schwer zu machen oder sie zum Wegzug anzuhalten. Im Gegenteil, es geht um eine solche Daseinsvorsorge, die auch in Zukunft Bestand hat und die wir uns auch finanziell leisten können.
Ich bitte Sie herzlich, die Entscheidung der Bildungsministerin von Ende März einmal unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Wie Sie wissen, sollen die sechs Staatlichen Schulämter in eine Landesschulagentur überführt werden, die aus einer zentralen Steuerungsstelle und vier Regionalstellen bestehen wird. Die bisherigen Schulamtsstandorte Brandenburg a. d. Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) sollen als Regionalstellen bestehen bleiben. Einerseits verfügen sie als kreisfreie Städte über eine hohe Schuldichte, andererseits erfüllen sie eine „Ankerfunktion“ für die jeweilige Region. Der bisherige Standort Perleberg wird nach Neuruppin verlagert, weil die Regionalstelle dann aus den berlinnahen Regionen, die eine höhere Schuldichte aufweisen, besser erreichbar ist. Die bisherigen Ämterstandorte in Wünsdorf und Eberswalde werden wegfallen. Sie sind bezogen auf die zu betreuenden Schulen und Lehrkräfte sowie auf die Zahl der dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die kleinsten im derzeitigen Schulämternetz. Über den Standort für die zentrale Steuerungsstelle der Landesschulagentur ist noch nicht entschieden.
Was in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist, sehr geehrte Frau Fuchs: Es werden durch den Neuzuschnitt ausgewogene Aufsichtsregionen entstehen, in denen jeweils eine annähernd vergleichbare Anzahl von Schulen und Lehrkräften, nämlich zwischen 180 und 210 Schulen und zwischen 4.000 und 5.000 Pädagogen, zu betreuen sind. Nach diesen Zahlen bemisst sich auch die Personalausstattung der Regionalstellen. Somit werden die vier künftigen Regionalstellen – anders als die derzeit bestehenden sechs Schulämter – eine annähernd gleiche Personalausstattung erhalten.
Doch Ihnen geht es auch um die Erreichbarkeit der künftigen Regionalstellen, insbesondere für Lehrer und Eltern aus der Uckermark. Zunächst: In einem Flächenland wie Brandenburg wird es immer schwierig sein, weite Fahrwege zu vermeiden. Ich will auch nicht ausschließen, dass die notwendige Reduzierung auf vier Standorte in dem einen oder anderen Fall zu Problemen führt. Grundsätzlich aber wird die Präsenz der Schulaufsicht vor Ort - auch mit Hilfe moderner Arbeitsorganisation – künftig weiterhin gesichert sein. An der Qualität der Unterstützung und Beratung der Schulen soll es keine Abstriche geben. Alle 52 Schulrätinnen und Schulräte werden sogar mehr für die Schulen des Landes da sein können, da sie von Verwaltungsaufgaben entlastet werden sollen.
Ich kann Ihnen Ihre Befürchtung, dass sich die Erreichbarkeit für Eltern und Lehrer in Zukunft schwieriger gestalten wird, zwar nicht vollends nehmen. Notwendige Gespräche mit der Schulaufsicht können aber auch an der Schule oder telefonisch erfolgen. Die Erfahrung zeigt, dass in den Schulämtern Perleberg, Frankfurt (Oder) und Wünsdorf die Sprechzeiten durch Eltern und Schüler immer seltener genutzt werden. Bisher bietet das Schulamt Perleberg auch Gespräche in den Räumen der Schulpsychologie im Landkreis Oberhavel an, da Perleberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer erreichbar ist. Für schulpsychologische Beratung von Schülerinnen und Schülern etwa müssen nicht die Schulämter, sondern können die regional zuständigen Beratungsstellen direkt an den 27 Standorten aufgesucht werden. Auch bei den Lehrern müssen Ernennungen oder Dienstgespräche nicht zwangsläufig im staatlichen Schulamt erfolgen. Diese sind auch in der Schule möglich. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass moderne Medien verstärkt genutzt werden, insbesondere dort wo es schon jetzt längere Anfahrwege gibt.
Zu Ihren Sorgen hinsichtlich der Beschäftigten des Amtes Eberswalde: Für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es eine garantierte Beschäftigungssicherheit und individuelle Übergangslösungen. Die Neustrukturierung soll sozialverträglich und unter Einbeziehung der Belange der Beschäftigten erfolgen. Generell gilt: Die Diskussion über die konkrete Ausgestaltung der neuen Schulaufsichtsstruktur ist mit der Grundsatzentscheidung nicht abgeschlossen. In den kommenden Monaten und Jahren werden vielmehr weitere rechtliche, personelle, inhaltliche und strukturelle Voraussetzungen für den Umbau geschaffen. Dafür hat gerade ein Aufbaustab mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bildungsministeriums sowie Vertreterinnen und Vertretern der Schulämter seine Arbeit aufgenommen, der weitere Schritte vorbereitet und koordiniert. Start für die Landesschulagentur soll der 1. Januar 2014 sein.
Abschließend möchte ich auf Ihre Frage eingehen, warum über Schulamtsstrukturen entschieden wurde, noch bevor Ergebnisse der Enquetekommission des Landtags vorliegen. Die Frage ist berechtigt, sind doch die Gründe für außen stehende Beobachter nicht sofort erkennbar. Doch die Straffung der Schulamtsstrukturen wurde bereits seit einigen Jahren überlegt und bereits 2009 im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Sie gehört damit zum Regierungsprogramm und zu den 26 Modernisierungsvorhaben der Landesregierung in dieser Legislaturperiode. Sie ist in einer Projektliste festgeschrieben, die in den kommenden zwei Jahren umgesetzt werden soll.
Die von ihnen erwähnte Enquetekommission ist dagegen eine Einrichtung des Parlaments, die aus Mitgliedern des Landtags und aus Sachverständigen besteht und mit einem anderen Auftrag im März 2011 von den Abgeordneten eingesetzt wurde. Sie soll die Aufgabenverteilung zwischen dem Land, den Landkreisen und Kommunen untersuchen und die dabei eingesetzten Personal- und Finanzmittel vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung bewerten. Genauer gesagt geht es um die Auswirkungen der Ämterreform von 1992, der Kreisgebietsreform von 1993 sowie um die Ergebnisse der Gemeindegebietsreform des Jahres 2003. Die Leistungsfähigkeit, die Strukturen und die Größe der kommunalen Verwaltungseinheiten sollen überprüft und anhand der Erfahrungen anderer Länder vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückgangs neu bewertet werden.
Natürlich gibt es in Teilen Überschneidungen zwischen den Modernisierungsvorhaben der Landesregierung und dem Auftrag der Enquetekommission. In beiden Fällen geht es um Aufgabenstrukturen, die den sich verändernden finanziellen und demografischen Bedingungen Rechnung tragen sollen. Dennoch gilt, dass der Evaluationsprozess im Bereich der Schulämter bereits lange im Gange war, als die Enquetekommission eingesetzt wurde. Da die staatlichen Schulämter nicht zu den Aufgabenkomplexen zählen, die im Rahmen einer Funktionalreform zur Kommunalisierung anstehen, bestand auch kein Grund, die Ergebnisse der Enquetekommission abzuwarten.
Sehr geehrte Frau Fuchs, ich hoffe sehr, bei Ihnen ein wenig Verständnis für die Beweggründe zu den Entscheidungen über die Schulämter geweckt zu haben. In jedem Fall freue ich mich darüber, dass Ihnen auch die Strukturen, unter denen gute Schule in Brandenburg auch weiterhin gedeihen soll, nicht gleichgültig sind.
Mit freundlichem Gruß
Matthias Platzeck
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