Sehr geehrter Herr Voss,

soweit ich die Angelegenheit mitbekommen habe, fällt der Fraktion der Piraten der Vorsitz eines erwogenen BER-Untersuchungsausschusses nicht deshalb zu, weil sie irgendwie bevorzugt oder dazu auserwählt würden, sondern schlichtweg nach dem Wahlverfahren laut D`Hondt.

Weil die Fraktion
a) im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten ist seit der letzten Wahl
b) noch keinen Untersuchungsausschuss-Vorsitz innehat, steht der Vorsitz des nächst gebildeten Untersuchungsausschusses ihnen zu.

Von dieser Regelung können sie aufgrund irgendwelcher ausgegorener oder unausgegorener Positionen in anderen Bereichen gar nicht ausgeschlossen werden.

Die Eignung dessen, der im Eventualfalle, soweit dieser Ausschuss tatsächlich gebildet wird, kann ich nicht beurteilen und erlaube mir auch kein Urteil dazu. Vielleicht kann ein Denken außerhalb des üblichen Sachzwang-Denkens schon auch Aufschluss bringen und vielleicht gehen da auch Pferde mit den zumeist doch jüngeren Menschen durch.

Was ich mir persönlich wünsche - wenn ich das aus eigener Warte schreiben darf - ist, wenn neben allen Unzulänglichkeit am Einzelprojekt, die zutage treten das Grundsätzilche bei Großprojekten mit aufgerollt wird, gleich ob Elbphilharmonie in Hamburg, Love-Parade in Duisburg oder Flughafen BER, was ja erstmal unvergleichbar erscheint.

Ab einer bestimmten Größenordnung sind

a) ausnahmslos ALLE Projekte einer persönlichen Anschauung entzogen, dann gelten nur noch Szenarien A, B, C oder D, der Baufortschritt gilt als modellhaft nachgezeichnet

b) stehen alle Großprojekte unter einem enormen Termindruck, sind alle Zeitplanungen auf Kante genäht, wird schon etwas eröffnet, obwohl nicht nur herumgeschrubbt, sondern noch herumgebohrt und herumgeschraubt wird, noch Kabelkanäle unbelegt sind, Parallelarbeiten auf mehreren Baustellen stattfinden (im wahrsten Wortsinn) und so ziemlich alle sich daran gewöhnt haben.

Pfusch gab´s überall und ich glaub nicht mal der Schinkel war davor gefeit, dass ein Bauwerk von ihm einstürzte. Merkwürdig nur, dass wir mit allen Messverfahren und computergestützten Szenarien infolge der besagten Zeitplanung die Sache nicht besser ausgehen lassen.

Hier geht es nicht um "Schwarzfahrerlobbyisten" sondern um ganz vernünftige und ökonomisch durchaus nachvollziehbare Begründungen. Immerhin wird die - unnötige - Strafverfolgung mit Steuergeldern finanziert. Die Piratenpartei schreibt hierzu selbst auf ihren Seiten: "Die PIRATEN Berlin lehnen die Strafverfolgung von Schwarzfahrern gemäß § 265a StGB ab. Nach Einschätzung des Berliner Vollzugsbeirats (BVB) sitzen 60 Prozent der Ersatzfreiheitsstrafer wegen Schwarzfahrens im Gefängnis. Das betrifft vor allem kranke und sozial unterprivilegierte Menschen: Alkoholiker, Drogenabhängige und Obdachlose. Die Inhaftierung dieser Menschen ist unhaltbar.

Aus ökonomischer Sicht ist die Verfolgung von Schwarzfahrern für Berlin schädlich. Einem Schaden von im Durchschnitt 23,- € durch nicht gelöste Tickets stehen Verfahrens- und Inhaftierungskosten von zirka 6.000,- € pro Fall gegenüber. Daher muss allein aus wirtschaftlichen Gründen die Verfolgung von Schwarzfahrern abgeschafft werden. Wir werden im Abgeordnetenhaus und Bundesrat für die Abschaffung von §265a StGB eintreten. Zivilrechtliche Forderungen gegen Schwarzfahrer bleiben davon unberührt." Quelle: http://berlin.piratenpartei.de/2011/08/05/wahlprogramm-20...

Ich bin mich mit dem Chef unserer Berliner S-Bahn, Herrn Peter Buchner einig darüber, das Schwarzfahren einen Eigentumsdelikt darstellt. Diesen auch noch ganz straffrei stellen zu wollen, ist aus meiner Sicht recht grenzwertig hinsichtlich unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Holger Voss

Geehrte, liebe Frau Braun,

ich sehe hier zwei "Strecken", um mit dem hier Genannten umzugehen:

1. Eine Verknüpfung, wie Sie Herr Voss hergestellt hat, dass der Ausschussvorsitz von einer inhaltlichen Aussage zu etwas abhängig gemacht wird, die unmittelbar mit dem Untersuchungsgegenstand gar nichts zu tun hat, allenfalls nur mittelbar.

Das ist m. E. nicht so und Wohlverhalten zu bestimmten Positionen darf in einer Demokratie für die Übernahme eines Ausschussvorsitzes nicht ausschlaggebend sein.

Damit hat sich für mich die Angelegenheit eigentlich schon erledigt.

Das 2. ist Dasjenige, was Sie benennen:
Ich glaube, wir können über die Gründe des Schwarzfahrens verschiedener Auffassung sein, finanzielle Armut ist sicherlich ein Teil davon, doch eben nicht nur. Die Gegenüberstellung von dem Durchschnitt von 23 € und den Verfahrens- und Inhaftierungskosten von 6.000 € pro Fall kann m. E. so nicht gelten, weil nicht jemand für ein einmaliges, sondern für ein wiederholtes und fortgesetztes Schwarzfahren mit Anklage und Freiheitsstrafe rechnen muss.

Die Strafandrohung soll durch dieses endliche Ausmaß der Abschreckung dienen, andernfalls in den Verkehrsmittel bestimmt die zehnfache Zahl an Schwarzfahrern vorhanden wäre, mit entsprechenden Einnahmeausfällen.

Wir mögen diese Konsequenzen so bedauern, jedoch sollte von politischen Akteuren die Angelegenheit auch politisch gelöst werden; "die Fensterscheibe, die nur vom guten Brote trennt", kann als Gedankengang interpretiert und als künstlerische Auseinandersetzung mit enstehender Armut verstanden werden ...

... sie kann auch als Einladung missverstanden werden, wer das politisch nicht lösen will.