Sehr geehrter Herr Neumann,
Ihr Beitrag widmet sich einer der wichtigsten Fragen unserer Zeit, der künftigen Energieversorgung. Sie äußern sich mit sehr provokanten Thesen und wählen starke Worte. Mit liegt sehr daran, dass dieses sensible Thema nicht mit Schlagworten, sondern mit wohldurchdachten Argumenten diskutiert wird. Geht es doch bei der Energie um den ´Lebenssaft´ unseres Industrie- standortes, ja unserer Gesellschaft. Deshalb rate ich zu Augenmaß und Ausgewogenheit, auf keinen Fall zu Panikmache.
Doch nun zu Ihren Thesen: Als gelernter Ingenieur darf ich zunächst Ihre Aussage zur Thermodynamik etwas präzisieren: Nach dem 1. und 2. Haupt- satz der Thermodynamik kann Energie weder aus dem Nichts erzeugt noch vernichtet werden. Energie kann nur von einer in eine andere Energieform umgewandelt werden, auch wenn ihr technisch nutzbarer Anteil mit jeder Umwandlung kleiner wird. Von daher ist der Begriff „erneuerbare Energie“ aus naturwissenschaftlicher Sicht tatsächlich nicht korrekt. Damit haben Sie zwei- fellos recht. Er beschreibt aber eine wesentliche, gesellschaftlich relevante Eigenschaft dieser Energien recht gut. Deshalb dürfte er sich noch längere Zeit in der Umgangssprache halten.
Anderen Einschätzungen widerspreche ich hingegen ausdrücklich: Die deutsche Energiepolitik ist weder wirtschaftsfeindlich, noch unsinnig oder gar demokratieschädigend. Das sind sehr harte Worte, für die es aus meiner Sicht keine Belege gibt. Schauen Sie sich nur die wirtschaftliche, aber auch die soziale Situation in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Staaten in Europa und der Welt an. So schlecht stehen wir - gerade auch in Brandenburg - nicht da. Damit will ich ausdrücklich nicht sagen, dass hier alles gut ist und wir uns mit dem Erreichten zufrieden geben sollten. Nein, wir müssen natürlich noch viel mehr tun für sozialen Zusammenhalt, für Gerechtigkeit und Gemein- sinn. Dafür steht gerade auch die von mir geführte Landesregierung. Ich plädiere aber auch dafür, nicht den Blick für Relationen zu verlieren.
In diesem Zusammenhang teile ich Ihre Einschätzung, wonach eine Industrie- nation eine sichere und bezahlbare Energieversorgung benötigt. Das ist so- wohl eine Frage der sozialen Gerechtigkeit als auch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Deshalb setze ich mich seit dem Start der Energiewende mit aller Kraft dafür ein. Es war richtig, den Ausstieg aus der Atomenergie zu beschließen und zu beginnen. Und es ist wichtig und richtig, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Für diese Entschei- dungen gab und gibt es in Deutschland eine breite gesellschaftliche Akzep- tanz. Ich werbe in vielen Gesprächen, Veranstaltungen und Foren für die Energiewende. Dabei versuche ich auch klarzustellen, dass die Neuaus- richtung der Energiepolitik mit tiefen Eingriffen in bisherigen Strukturen, in die Umwelt, in Kulturlandschaften verbunden ist. Ich bin aber fest davon über- zeugt, dass langfristig der Umstieg auf erneuerbare Energien der einzig richtige Weg ist. Und ich bin auch ein klein wenig stolz darauf, dass Brandenburg im Dezember zum dritten Mal den Leitstern als bestes Bundesland "Erneuerbare Energien" erhalten hat.
Sorgen bereitet mir allerdings, dass wegen der steigenden Kosten für Energieversorgung und nicht zuletzt wegen immer wieder befürchteter Versorgungsengpässe die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende offenbar geringer wird. Hier müssen wir dringend etwas tun. Deshalb haben die Ministerpräsidenten vom Bund nochmals gefordert, eine nationale Gesamtkonzeption für die Energiewende vorzulegen und konventionelle Kraftwerksbauten, den Ausbau erneuerbarer Energien, von Netzen und Speicherkapazitäten auf Bundesebene besser zu koordinieren. Mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung die Notwendigkeit hierfür inzwischen durchaus anerkennt.
Sehr geehrter Herr Neumann, aus Ihrer Frage habe ich deutlich Ihren Ärger über laufende energiepolitische Entwicklungen herauslesen können. Vielleicht können Sie auch vor dem Hintergrund meiner Antwort versuchen, die Not- wendigkeit und die Chancen der Energiewende nachzuvollziehen.
Ich empfehle Ihnen dazu auch einen Blick in die „Energiestrategie 2030 des Landes Brandenburg“. Hier haben wir versucht, von einer ehrlichen Bestands- aufnahme ausgehend eine Strategie für unser Land zu entwickeln, die trag- fähig ist und Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit der Energieversorgung in den Vordergrund stellt.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Platzeck
Kommentare (1)Öffnen
am 19. Dezember 2012
1.
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.