Sehr geehrter Herr Dr. Weigt,
ich nehme Ihre Fragen sehr gerne zum Anlass, einmal etwas detaillierter auf das Thema Flugrouten und deren Kontrolle einzugehen. Die unsichtbaren „Straßen des Flugverkehrs“ sind es schließlich, mit denen die Sorgen und Ängste der Menschen im Umfeld eines jeden Flughafens sehr konkret verknüpft sind. Und insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie Ihr persönliches Anliegen als betroffener Anwohner des Flughafens Schönefeld-Alt und des künftigen BER über meine Online-Plattform für einen größeren Kreis von Interessenten in den Mittelpunkt rücken.
Warum also weichen Flugzeuge von den festgelegten Flugrouten ab und wer lässt das geschehen? Erlauben Sie mir zum Kern Ihrer Zuschrift einen sehr vereinfachten Vergleich: So wie Sie sich als Autofahrer eine Ausweichstrecke suchen, sobald der angestammte Heimweg durch einen Stau versperrt ist, können auch die Routen im Flugverkehr nicht starr, sondern müssen veränderbar sein - beispielsweise um zu flugintensiven Tageszeiten oder bei unvorhersehbaren Ereignissen reibungslose Ab- und Anflugverfahren auf einem Airport zu gewährleisten. Dennoch kann sich kein Pilot willkürliche Routenabweichungen erlauben, ohne dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) einschreitet.
Verantwortlich für die Flugverkehrskontrolle in der Bundesrepublik ist die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) als Teil der Luftverkehrsverwaltung des Bundes. Das ist wichtig, um zu verstehen: Das Land Brandenburg ist als Gesellschafter zwar Miteigentümer der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB), verfügt aber über keinerlei Eingriffsmöglichkeiten, was das Planen, Festlegen und Umsetzen von Flugverfahren betrifft. Auf welcher Route ein Flugzeug startet und ab welcher Höhe es diese verlassen kann, entscheiden einzig und allein die Fachleute im Tower.
Das tun sie selbstverständlich nicht nach „eigenem Gusto“, wie Sie es in Ihrer Fragestellung ein wenig überspitzt formulieren. Vielmehr handeln die Fluglotsen auf den Grundlagen des Luftverkehrsgesetzes und der Luftverkehrsordnung, die unter anderem die Details zu den Flugverfahren und zur so genannten Flugverkehrskontrollfreigabe regeln. Letztere basiert in aller Regel auf den festgelegten Flugrouten, die den Verlauf, den Weg und teils auch die Höhe eines Abfluges vorschreiben können. Um den Luftverkehr jederzeit sicher, geordnet und flüssig abwickeln zu können, obliegt den Fluglotsen aber auch die gesetzliche Möglichkeit einer so genannten Einzelfreigabe. Vor allem um den Verkehr zu entzerren oder z.B. auch auf Wetterkapriolen zu reagieren, können Flugzeuge auf Anweisung des Towers ab einer bestimmten Höhe – üblicherweise ab 5000 Fuß (ca. 1500 Meter) – von der Strecke abdrehen und einen so genannten Direktflug einleiten. Es wäre also gut möglich, dass Sie solche rechtmäßigen Flüge über Ihrem Wohnort beobachten, obwohl dieser von den offiziellen Flugrouten gar nicht tangiert ist.
Sehr viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass Ihre Beobachtungen gar nicht auf Starts vom Flughafen Schönefeld-Alt zurückzuführen sind – sondern dass Sie stattdessen Flugzeuge im Landeanflug auf Tegel über Altglienicke sehen. Überzeugen können Sie sich davon mithilfe des Online-Service „Stanly Track“ der Deutschen Flugsicherung. Dieses sehr interessante und aufschlussreiche Internetprogramm ermöglicht es, sich für den Zeitraum der zurückliegenden zwei Wochen die An- und Abflugrouten für alle Flüge auf den deutschen Verkehrsflughäfen abbilden zu lassen. Wenn darüber hinaus Detailfragen zum Flugbetrieb bleiben, empfehle ich den Beauftragten für Lärmschutz und Luftreinhaltung bei der Flughafengesellschaft, Herrn Dr. Kai Johannsen, als kompetenten Ansprechpartner.
Erlauben Sie mir abschließend noch eine Anmerkung zu Ihrem P.S.: Sich einerseits Ruhe über dem eigenen Haus zu wünschen, gleichzeitig aber den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel im bekanntlich dichter besiedelten Gebiet eines anderen Stadtteils zu befürworten, ist aus der persönlichen Sicht eines einzelnen Hauseigentümers noch nachvollziehbar. Verantwortungsvolle Politik für alle Bürgerinnen und Bürger kann so aber nicht agieren, denn sie hat vielmehr die Aufgabe, vernünftige Kompromisse zu finden. In Bezug auf den BER hieß das für uns immer, so wenige Menschen wie möglich mit so wenig Fluglärm wie möglich zu belasten. Für den Schutz aller Betroffenen haben wir uns darüber hinaus verpflichtet, im BER-Umfeld den deutschlandweit besten Schallschutz umzusetzen.
Anmerkungen des Webmasters:
Der Online-Service „Stanly Track“ kann auf den Internetseiten der DFS unter dem folgenden Link generiert und abgerufen werden:
http://www.dfs.de/dfs_homepage/de/Flugsicherung/Umwelt/Fl...
Ein Kontaktformular zum Beauftragten für Lärmschutz und Luftreinhaltung bei der Flughafengesellschaft, Herrn Dr. Kai Johannsen, gibt es auf den Internetseiten der Flughafengesellschaft: http://www.berlin-airport.de/de/nachbarn/fluglaerm-und-fl...
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Platzeck
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