Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Jan-Erik Hansen am 29. November 2010
8912 Leser · 67 Stimmen (-1 / +66) · 0 Kommentare

Vorhaben, Vorschläge und Ideen

Einführung der Popularklage in Brandenburg?

Sehr geehrter Herr Platzeck,

als Popularklage bezeichnet man im Rechtswesen eine Klage, die von jemandem erhoben wird, der nicht unmittelbar betroffen ist.

In Deutschland ist die Popularklage nur in Ausnahmefällen zugelassen (vgl. Klagebefugnis als Zulässigkeitsvoraussetzung). Eine Ausnahme ist die in der Verfassung des Freistaates Bayern in Artikel 98 Satz 4 vorgesehene Möglichkeit für jedermann, Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof einzulegen. Dabei kann jedes bayerische Gesetz, Verordnung oder Satzung dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgelegt werden mit der Behauptung, ein in der Landesverfassung garantiertes Grundrecht werde durch das Gesetz in verfassungswidriger Weise verletzt. Der Verfassungsgerichtshof überprüft das Gesetz dann anschließend auf Übereinstimmung mit dem vollständigen bayerischen Verfassungsrecht und stellt gegebenenfalls dessen Verfassungswidrigkeit fest. Damit wäre das Gesetz nicht mehr anzuwenden.

Ich untersütze die Möglichekit des Einreichens einer Popularklage ausdrücklich.

Meine Frage an Sie wäre:

1.Plant die Landesregierung die Einführung der Popularklage in Brandenburg?

2. Wenn nein, warum nicht?

Viele freundliche Grüße

Jan-Erik Hansen

+65

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Antwort
von Matthias Platzeck am 16. Februar 2011
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Hansen,

ich grüße Sie ein weiteres Mal als engagierter Beobachter des politischen Geschehens bei uns in Brandenburg. Auch in Ihrem aktuellen Eintrag haben Sie einen Vorschlag unterbreitet und sich dabei auf Bayern bezogen. Bevor ich Ihnen konkret antworte, muss ich Ihnen allerdings sagen, dass der richtige Ansprechpartner für diese Frage in erster Linie der Landtag Brandenburg als gesetz- und verfassungsgebendes Organ ist, das auch die Aufgaben und Zuständigkeiten des Landesverfassungsgerichts festlegt.

Aber nun zu Ihrem Anliegen: Die Verfassungen von Brandenburg und des Freistaats Bayern lassen sich trefflich nach dem Motto miteinander vergleichen, warum gilt bei denen das und bei uns nicht: Anders als andere Landesverfassungen regelt die bayerische alle staatlich relevanten Lebensbereiche, also neben dem Staatsaufbau zum Beispiel auch die Grundrechte, und versteht sich in jeder Beziehung als konstitutives Verfassungsrecht. Dem bayerischen Verfassungsgeber kam es vor allem darauf an, seine Selbständigkeit zu wahren. Das wurde letztlich durch die Ablehnung des Grundgesetzes durch den bayerischen Landtag untermauert. Das ist längst Geschichte, erklärt aber, warum in Bayern ein etwas anderes Recht gilt.

Gerne wird die Popularklage als sichtbares Instrument benannt, an dem die Möglichkeit und die Wirksamkeit bürgerschaftlichen Engagements festgemacht wird. Ich persönlich sehe die Zulassung einer Popularklage nicht als notwendig an. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich als Einzelner oder auch als Gruppe zu engagieren und Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen. Der aktuelle Koalitionsvertrag verpflichtet die Landesregierung, die Beteiligungsrechte, das heißt das Mittun und Mitgestalten der Bürgerinnen und Bürger, zu stärken. So wollen die Koalitionspartner ausgehend vom Auftrag unserer Brandenburger Landesverfassung auch die bestehenden demokratischen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte ausbauen und damit dem Trend von Politikverdrossenheit entgegenwirken. Dazu gehört, das Volksabstimmungsgesetz mit dem Ziel zu novellieren, vor allem die Zugangsbedingungen für Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern.

Mit freundlichem Gruß