Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Jürgen Nentwich am 08. April 2008
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Soziales

Gesundheitsfragen zu Schönefeld

Sehr geehrter Herr Platzeck,
vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage nach „Landminen und Splitterbomben“. Um es kurz zu machen (Sie gestatten nur 600 Worte), ich hätte nicht gedacht, dass Sie so wenig Einfluss und Mitentscheidungskraft bzw. Verantwortung haben. Bei der Landnahme, von der einige tausend Brandenburger betroffen sind, waren Sie – so empfand ich es jedenfalls – als Oberbürgermeister von Potsdam doch irgendwie an gesetzgebender Stelle?! Aber gut, Sie haben sich nach mehrtägiger Stille doch noch damit entschuldigt, in „Gutem Glauben“ gehandelt zu haben.
Nachdem die Flughafengesellschaft, der Sie als Aufsichtsratsvorsitzender angehören und in der Sie vermutlich auch Verantwortung tragen, vor dem höchsten deutschen Gericht über die Standortgegner des Flughafens Schönefeld obsiegt hat, geht der Streit also nur noch um den Nachtflug!
In Berlin und Brandenburg besteht so etwas wie eine Stadtordnung, nach der am Wochenende und an Feiertagen die Benutzung von bestimmten lauten Geräten (Rasenmähern, Betonmischern, Häckslern etc.) untersagt ist. Besonders geschützt ist außerdem die Zeit zwischen 12 und 15 Uhr. Wenn bei Überflügen bis 24 Uhr und ab 05 Uhr (alle 2 Minuten) aber wesentlich mehr Lärm erzeugt wird, gilt dann eigentlich noch die Stadtordnung bzw. gilt sie nur für die am Boden Lebenden oder wie wird mit diesem Problem verfahren?
Zu den Berechnungen von 40.000 neu entstehenden Arbeitsplätzen:
Ihr eigener Gutachter der Flughafenbehörde spricht von 16% lärmgeschädigten Menschen. Macht bei einem Anteil von in der Einflugschneise Betroffenen 100.000 bis 200.000 Menschen einfach mal 16.000 bis 32.000 Menschen aus mit den üblichen, durch Lärm verursachten Erkrankungen wie Herz- und Kreislaufbeschwerden, verschiedensten psychischen und physischen Störungen, Unfällen wegen unzureichendem Schlaf, Arbeitszeitausfall bis hin zum Selbstmord. Wie wird hier verfahren? Muss jeder, der nur mit gesundheitlichen Schäden davonkommt, einen Antrag auf finanzielle Beihilfe zum Arztbesuch und Medikamentenkauf stellen, oder wird hier großzügig verfahren? Ihnen ist sicherlich bekannt, das die Haupteinflugschneisen ein Gebiet betreffen, in denen ältere Menschen leben und die in der Vorwendezeit nicht die Möglichkeit hatten, größere Geldmengen nach Lichtenstein zu transferieren, um sie jetzt für Medikamente auszugeben. Welche Kosten hat die Flughafengesellschaft als Verursacher hier eingestellt?
Um für ausreichenden Nachtschlaf zu sorgen gelten für lärmgestresste Straßen „Ruhezeiten“ meist mit „Tempo 30“ von 22 bis 06 Uhr. Das „Nachtflugverbot“ beim Flughafen vorab anscheinend von 00 bis 05 Uhr (in diesen Randzeiten ist ein Flugbetrieb alle 2 Minuten erforderlich). Wie verträgt sich das mit der Stadtordnung?
Ich gehe davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland das Verbot der Folter bei den Vereinten Nationen unterzeichnet hat. Zu diesen Foltermethoden gehört neben dem von den US-Amerikanern auf Guantanamo praktizierten simulierten Ertränken auch der Schlafentzug. Eine Schlafzeit von 5 Stunden (für Menschen) gilt nicht nur Medizinern als absolut gesundheitsschädigend und auf Dauer tödlich.
Mein Haus und auch die Häuser zehntausender Mitmenschen sind allein durch Fenstererneuerung nicht ausreichend so vor Fluglärm zu schützen (selbst bei geschlossenen Fenstern), das ein ungehinderter und damit ausreichender Schlaf von mehr als 5 Stunden möglich ist! Nicht zu vergessen, dass in den eventuell lärmberuhigt verbleibenden 5 Stunden immerhin noch einige Postflüge stattfinden werden.

Frage: Würden Sie sich von einem Piloten fliegen oder Chefarzt operieren lassen, der über Monate oder Jahre jede Nacht nur 5 Stunden geschlafen hat? Ich vermute, das wäre doch arg risikobehaftet.
Bitte entschuldigen Sie, dass dieser Brief mehr als eine Frage enthält und ich Sie eventuell damit belästige oder verärgere, aber diese Fragen stehen in direktem Zusammenhang und können auch somit im Zusammenhang für viele Betroffene beantwortet werden.

Übrigens: Von Sperenberg hätten Sie schon längst von 3 vorhandenen 4000 m Bahnen starten können (ein entsprechendes Video können Sie beim Bayrischen Rundfunk unter „Planlos in die Zukunft“ sehr preiswert erwerben)!

Mit freundlichen Grüßen

J. Nentwich

+325

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Antwort
von Matthias Platzeck am 09. Juli 2008
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Nentwich,

ich will auf Ihre teils sehr polemischen Anwürfe sachlich antworten. Der Leipziger Prozess war das aufwändigste Verwaltungsgerichtsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Dabei hat das Gericht es sich nicht leicht gemacht. Das Urteil wägt sehr differenziert zwischen berechtigten Interessen der Anwohner und der Notwendigkeit eines internationalen Flughafens für die Region ab. Für die Enttäuschung mancher Kritiker habe ich Verständnis. Jetzt ist aber entschieden worden und diese Tatsache sollten alle akzeptieren.

Das Gericht bestätigte den Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen Berlin Brandenburg International und es hat der planenden Behörde attestiert, dass die Belange des Umweltschutzes, die Altlastenprobleme, der Gewässerschutz und eine Fülle von Einzelfragen im Beschluss umfassend gelöst wurden und der Standort für den Flugbetrieb geeignet ist.

Das Gericht hat das Land aber auch verpflichtet, über eine weitergehende Einschränkung des Nachflugbetriebes, über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen beim Lärmschutz zur Nacht und über die Grenzziehung des so genannten Entschädigungsgebietes Außenwohnbereich unter Beachtung der Rechtsauffassung neu zu entscheiden. Das Gericht hat festgelegt, dass in der nächtlichen Kernzeit von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr die Anwohner von Fluglärmbelästigungen weitestgehend zu verschonen sind. In der Zeit von 22.00 bis 24.00 Uhr und von 05.00 bis 06.00 Uhr soll nur der Flugbetrieb stattfinden, der sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht am Tage abwickeln lässt.

Ich versichere Ihnen: Die Landesregierung wird die Ansprüche der Bürger nicht in Frage stellen. Die Planfeststellungsbehörde erarbeitet zur Zeit die notwendigen Entscheidungen. Ich bin zuversichtlich, dass am Ende ein für alle Seiten akzeptables Ergebnis stehen wird. Im übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil anerkannt, dass keine gesundheitlichen Gefahren für die Anwohner bestehen und ist den entsprechenden Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss gefolgt.

Anmerkung des Webmasters:

Ministerpräsident Platzeck ist im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, aber nicht deren Aufsichtsratsvorsitzender.

Mit freundlichem Gruß

Matthias Platzeck