Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Finn Hücking am 25. Juni 2010
8138 Leser · 47 Stimmen (-2 / +45) · 0 Kommentare

Bildung

Ländervergleich: Bildung in Brandenburg

Sehr geehrter Herr Platzeck,

nun ist es amtlich: laut Bildungstest bildet Brandenburg das Schlusslicht. Nun geht es an die Ursachenforschung. Medienberichten zufolge wurde bereits die DDR als der Schuldige an den schlechten Englischkenntnissen der Brandenburger benannt. Bildungsminister Rupprecht kündigte an, dass es noch einiges zu beackern gäbe, um einen vermeintlichen Bildungsrückstand der Brandenburger aufzuholen.

Ich kann Ihnen sagen, dass es nicht gerade angenehm ist, nun einmal mehr als der „doofe Ossi“ dazustehen, der weder Englisch noch irgendetwas anderes beherrscht. Vielleicht wäre es bei solchen niederschmetternden Ergebnissen zunächst einmal ratsam, den Menschen einen positiven Anreiz zu geben. Bspw. indem man ihnen nicht ewig vorhält, was sie nicht können, sondern ihnen sagt, worin sie besonders gut sind. Zumal ich auch nicht genau weiß, auf welche Gebiete sich der Ländervergleich bezieht. Es ist ja durchaus möglich, dass Brandenburg im Ländervergleich in anderen Wissensgebieten gar nicht so schlecht weg gekommen wäre, diese aber nicht zur Debatte standen. Von daher ist doch solch ein Ländervergleich immer relativ anzusehen, oder etwa nicht?

Nun sollte es darum gehen, den anderen zu zeigen, dass wir hier in Brandenburg sehr wohl etwas können. Dass auch wir sehr wohl innovative und begabte Köpfe sind. Selbst wenn es einmal an den Englischkenntnissen scheitern mag.
Was gedenken Sie also in Zukunft zu unternehmen, um Brandenburg besonders dort hervorzuheben, wo es besonders gut ist? Damit seine Bewohner nicht ständig in den schlechten Ruf der Rückständigkeit geraten.

Mit freundliche Grüßen,
Ihr Finn Hücking

+43

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Antwort
von Matthias Platzeck am 17. August 2010
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Hücking,

wie Sie an der breiten Unterstützung der Leserschaft meines direktzu-Portals für Ihre Frage selbst ablesen können, haben Sie mit Ihrer Wortmeldung offenbar ins Schwarze getroffen. Und Sie sprechen Fragen an, die mich auch umtreiben und denen ich einen großen Teil meiner Arbeitszeit widme. Wie schaffen wir es, auf wichtigen Gebieten wirklich Spitze zu sein? Wo konzentrieren wir am wirkungsvollsten unsere Mittel, um eine maximale Ausbeute für unsere Wirtschaft, für zukunftsfeste Arbeitsplätze und ein lebenswertes Land zu erzielen? Ich möchte, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger zu recht stolz sind auf ihr Land, auf ihre Aufbauleistung in den vergangenen 20 Jahren. Deshalb feiern wir unser Landesjubiläum auch als Mitmachjahr – jeder soll sich einbringen können, Veranstaltungen organisieren, Initiativen starten, kurz gemeinsam das Erreichte hoch leben lassen. Dazu haben wir übrigens extra eine Seite im Internet geschaltet. Auf www.brandenburg-geburtstag.de finden Sie viele Anregungen und Tipps – vom 'doofen Ossi' keine Spur!

Aber ich will der Reihe nach auf Ihre Argumente und Fragen eingehen:

Auch ich - sehr geehrter Herr Hücking - war von den Ergebnissen des Ländervergleichs enttäuscht. Das Ergebnis war ernüchternd, Brandenburgs Schülerinnen und Schüler liegen sowohl in Deutsch als auch in Englisch im unteren Leistungsbereich. Es muss aber zur Vervollständigung des Gesamtbildes gesagt werden, dass in vier der fünf überprüften Leistungsbereiche mehr als die Hälfte der Bundesländer nur unterdurchschnittliche Leistungen erreichen konnten. Es wäre also ein Fehlschluss, dass nur Brandenburg Probleme hätte. Dennoch, da gibt es nichts zu beschönigen, das Ergebnis für Brandenburg mit den Plätzen 13 bis 16 in den einzelnen Kategorien ist absolut nicht zufriedenstellend. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Erfreulich ist, dass das soziale Bildungsgefälle in Brandenburg relativ niedrig ist. Die Chancen von Akademikerkindern bei uns ein Gymnasium zu besuchen sind gegenüber gleichintelligenten Facharbeiterkindern nur 2,4 mal so hoch – damit liegen wir hinter Berlin auf Platz 2. Besonders ausgeprägt ist das soziale Bildungsfälle hingegen in Baden-Württemberg und Bayern, wo die Chancen von Akademikerkindern gegenüber Facharbeiterkindern 6,6 beziehungsweise 6,5 mal so hoch sind – von sozialer Gerechtigkeit sind diese beiden Länder also weit entfernt.

Wir werden jetzt - sehr geehrter Herr Hücking - überprüfen, woran die schlechten Ergebnisse im Einzelnen liegen und was wir tun können und müssen. Einige Dinge lassen sich bereits jetzt benennen: Die Grundschulen werden künftig die Möglichkeit erhalten, Unterrichtsstunden umzuschichten, um früher Englisch unterrichten zu können. In den Grundschulen sowie den weiterführenden Schulen werden Lesen und Verstehen im Fach Deutsch sowie die Rechtschreibung verstärkt geübt und obligatorische Diktate eingeführt werden. Bereits in diesem Schuljahr ist gemeinsam mit Thüringen ein Lesestrategie-Set erarbeitet worden – ab dem kommenden Schuljahr wird es landesweit eingesetzt. Es werden verbindliche Lektüreempfehlungen für einzelne Jahrgangsstufen erstellt. Für Englisch-Lehrkräfte werden Fortbildungsangebote erarbeitet, die gezielt an den Erkenntnissen des Leistungsvergleichs ansetzen. Im Schuljahr 2011/12 wird die Prüfung im Fach Englisch am Ende der Jahrgangsstufe 10 um einen zentralen Hörverstehenstest erweitert.

Hinzu kommt: Seit der PISA-Studie 2000 haben wir im Land Brandenburg zahlreiche bildungspolitische Entscheidungen getroffen, die uns bestärken, grundsätzlich auf dem richtigen Weg zu sein. Bei den letzten PISA-Untersuchungen wurden die mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen gemessen, bei denen sich Brandenburg gegenüber den Vorjahren verbessert hatte.

Sehr geehrter Herr Hücking, Sie fragen mit Recht, ob es in unserem Brandenburg nicht auch Spitzenleistungen gibt, auf die wir verweisen können und für die wir uns nicht zu verstecken brauchen. Ich will Ihnen nachfolgend ein paar Beispiele geben, die Ihnen vielleicht bislang gar nicht bekannt oder bewusst gewesen sind. So hat unsere Region Berlin-Brandenburg mit sieben Universitäten, 21 Hoch- und Fachhochschulen, über 170.000 Studierenden und mehr als 250 Forschungsinstituten die höchste Wissenschaftlerdichte in Deutschland und ist eine der großen europäischen Forschungslandschaften. Unser Brandenburg wurde kürzlich vom Ausschuss der Regionen der Europäischen Union (AdR) zur „Europäischen Unternehmerregion 2011“ gekürt als Anerkennung für eine besonders dynamische und ökologisch vorbildliche Region in Europa. Übrigens - Auch wenn alle immer auf Sachsen schielen: Brandenburg ist bei Unternehmensgründungen die Nr. 1 in Ostdeutschland.

Spitze sind wir auch - seit 2008 ist es amtlich - bei erneuerbaren Energien wie Wind, Biokraftstoffe und Solar. Wir gelten als der beste Standort in Deutschland. Dafür wurden wir vor zwei Jahren mit dem Leitstern „Best Practice für den Ausbau Erneuerbarer Energien“ belohnt. So hat Brandenburg mit 9 Photovoltaik-Modulherstellern die meisten derartigen Firmen in den neuen Ländern. Daneben sind wir auf dem Weg zum dritten großen Kompetenzzentrum für Luftfahrt in Deutschland. Bei der Triebwerkstechnik sind wir schon heute die europaweit führende Region. Mit dem Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) entsteht in Schönefeld das größte Verkehrs- und Infrastrukturprojekt Ostdeutschlands mit einem Investitionsvolumen von mehr als 2,2 Mrd. Euro.

Diese erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung schlägt sich deutlich im Abbau der Erwerbslosigkeit nieder. Mussten andere Länder in der Krise einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen hinnehmen, konnten wir unsere Bilanz stetig verbessern. Derzeit liegen wir bei einer Quote von 10,7 Prozent. Das ist nach Thüringen der zweitbeste Platz im Osten! Und – nebenbei bemerkt – gegenüber Sachsen haben wir schon seit Monaten die Nase vorn. Besonders freut mich, dass diese Entwicklung mit einem stetigen Aufbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einhergeht.

Ein weiteres Beispiel: Wir setzen ein in Deutschland beispielloses Konversionsprogramm zur Umwandlung großer militärisch genutzter Liegenschaften für den allgemeinen Strukturwandel um und schaffen dabei preiswerten Wohnraum, bauen Technologie- und Gründerzentren, Bildungsstätten oder zivile Heilstätten. Und nicht zuletzt haben wir mit der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land das Lausitzer Seenland geschaffen. Mit schiffbaren Überleitern zwischen den Tagebauen entsteht eine vernetzte Wasserinfrastruktur, die einmalig in Deutschland ist. Um die Erfahrungen bei dieser Umwandlung von Bergbaufolgelandschaften beneiden uns Experten aus aller Welt.

Und übrigens: Wenn Sie mal gefragt werden sollten, wo die längste Inline-Skater-Bahn Deutschlands steht, dann sagen Sie einfach: das ist der Fläming-Skate in Brandenburg

Alles Gute für Sie