Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Göran Bölke am 27. Juli 2011
9134 Leser · 44 Stimmen (-1 / +43) · 1 Kommentar

Bildung

Produktionsschulen als Lösung für Schulabbrecher?

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

entgegen dem bundesweiten Trend ist in Brandenburg Anfang dieses Jahres die Schulabbrecherquote auf 11% gestiegen, ein Anstieg um 0,4% im Vergleich zum Vorjahr(Quelle Bertelsmann Stiftung).

In bereits einigen Bundesländern experimentiert man mit dem Versuch der Produktionsschulen. Das Modell kommt ursprünglich aus Dänemark und befindet sich in Trägerschaft des Ministeriums, wird aber vollkommen privat und eigenständig finanziert.

Die Produktionsschule ist für berufsschulpflichtige Jugendliche, die ihre Vollzeitschulpflicht in der Regel ohne Schulabschluss beendet haben und bei denen zu erwarten ist, dass sie kein anderes schulisches Angebot annehmen werden.

In der Produktionsschule werden Waren und Dienstleistungen produziert und vermarktet. Die Waren werden nicht für den Eigenbedarf hergestellt, sondern auf dem Markt angeboten.
Produktionsschulen verfügen über Werkstätten, in denen die Herstellung von Waren und Dienstleistungen möglich ist. Die Arbeitszeit der Jugendlichen sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientiert sich am gewerblichen Arbeitstag. Die Produktionsschule ist eine Ganztagsschule.
Die Jugendlichen erhalten einen Lohn. Produkte und Dienstleistungen der Produktionsschule erfüllen professionelle Qualitätsansprüche und sind marktfähig.

Vom Tischler, über den Maler und Lackierer, Mauerer, Zimmermann, Metallbauer usw., alles kann angeboten werden. Jobs für die Zukunft!
Auch die Möglichkeit ihren Oberschulabschluss nachzuholen kann den Jugendlichen angeboten werden.
Ein erstes Heranführen an zukünftige Berufe ist so gewährleistet.
Die Regelschulzeit beträgt nicht mehr als 1 jahr, kann aber verlängert werden.

Dies soll ein kleiner Einblick in eine Möglichkeit sein, wie das Problem der Schulabbrecher gelöst werden könnte.

Was halten Sie davon?

Mit freundlichen Grüssen

Bölke, Göran

+42

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Antwort
von Matthias Platzeck am 19. September 2011
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Bölke

ich freue mich über Gedanken und Anregungen zu Problemen unseres Schulalltags. Sie haben recht, der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen, ist in Brandenburg noch immer zu hoch. Aber: Die von Ihnen genannten Zahlen sind schon etwas älter, sie stammen aus dem Schuljahr 2008/2009. Seitdem konnte die Zahl der Schulabbrecher kontinuierlich gesenkt werden. Im vergangenen Schuljahr wurde in Brandenburg die Zehn-Prozent-Marke nach unten durchbrochen. Die Quote lag bei 8,9 Prozent. Das ist ein kleiner, schöner Erfolg.

Für die Einordnung dieser Zahl ist es wichtig zu wissen: Schülerinnen und Schülern mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen, die überwiegend eine Förderschule besuchen, können am Ende ihrer Schullaufbahn in der Regel keinen Abschluss erwerben. Diese Kinder, deren Anteil sich auf 6,8 Prozent beläuft, fließen mit in die Quote ein.

Die Landesregierung, sehr geehrter Herr Bölke, will sich mit diesem Zustand nicht abfinden. Sie verfolgt das Ziel, auch die Zahl der Förderschüler zu senken und möglichst allen Kindern eine Schullaufbahn an der Regelschule mit einem Schulabschluss zu ermöglichen. Ich bin davon überzeugt, dass Brandenburg den richtigen Kurs eingeschlagen hat.

Dessen ungeachtet arbeitet unser Land seit Jahren auf vielfältige Weise auch daran, den Anteil der Schüler ohne Abschluss durch gezielte Förderung zu senken. Dazu zählen insbesondere die „Initiative Oberschule“ und Kooperationsprojekte zwischen Schule und Jugendhilfe. In beiden Projektansätzen werden die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Angeboten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung mit dem Ziel unterstützt, die für berufliche Ausbildung notwendigen Kompetenzen zu erwerben und gleichzeitig einen qualifizierten Schulabschluss zu erlangen. Dafür werden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds in zweistelliger Millionenhöhe eingesetzt. Diese Initiativen richten sich an noch schulpflichtige Jugendliche, die damit eine Chance erhalten, einen Schulabschluss noch innerhalb der allgemeinen Schulpflicht erwerben zu können.

Die Produktionsschule, wie Sie sie beschreiben, stellt ein Modell im Anschluss an die allgemeine Schulpflicht dar. Auch bei uns im Land wird mit diesem Angebot gearbeitet. In verschiedenen Landkreisen gibt es zurzeit fünf Produktionsschulen und Jugendwerkstätten nach dem von Ihnen beschriebenen dänischen Vorbild. Sie ermöglichen den jungen Menschen in ihren Werkstätten einen Einblick in verschiedene Berufsfelder wie Tischlerei, Metallwerkstatt, Töpferei, Gastronomie oder Medien. Positiv ist auch, dass in jeder berufspädagogischen Leistung ein Stützunterricht angeboten wird, der schulisches Grundwissen neben praktischen Fähigkeiten vermittelt. Fast alle Produktionsschulen bieten einen darüber hinaus gehenden theoretischen Unterricht für jene an, die sich auf die Nichtschülerprüfung an einem Oberstufenzentrum oder an einer Schule des Zweiten Bildungswegs vorbereiten möchten.

Mit freundlichen Grüßen


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