Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Ralph Gehrke am 20. August 2009
9330 Leser · 112 Stimmen (-3 / +109) · 0 Kommentare

Soziales

Jugendämter und Kindeswohl von Pflegekindern

Sehr geehrter Herr Platzeck,
als Pflegevater von einem bereits verselbständigten und bis Februar zwei in unserer Pflege lebenden Pflegekindern bin ich stark betroffen vom Amtshandeln eines Jugendamtes. Auch bin ich Mitglied im AktivVerbund Berlin e.V., der sich sehr kompetent für Pflegekinder und -eltern einsetzt.

Beide Geschwister, die seit sechs Jahren bei uns leben/lebten, sind in ihrer Herkunftsfamilie stark vernachlässigt und traumatisiert worden und leiden anerkanntermaßen an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Eines der Kinder zeigte so starke Symptome, dass wir sie nach fast sechs Jahren in die Obhut des Jugendamtes geben mussten.

In dieser Entwicklung spielte das Jugendamt eine erhebliche Rolle. Ein Beistand, wie er im BGB vorgesehen ist, durfte nicht an den Hilfeplangesprächen teilnehmen. Wir haben seit Beginn der Pflege den Eindruck, dass die Rechte der leiblichen Mutter amtsseitig über die Rechte der Kinder gestellt wird und das Kindeswohl eine untergeordnete Rolle spielt. Hierfür haben wir Dutzende nachweisliche Beispiele. In vielen Gesprächen mit Pflegeeltern aus Brandenburg wurde uns dieses Problem auch mit anderen Jugendämtern berichtet. Die letzte Entscheidung des Jugendamtes, die wir für nicht vertretbar mit dem Kindeswohl halten, ist, dass unsere inzwischen in einer therapeutischen Wohngruppe lebende Pflegetochter für eine Woche von ihrer leiblichen Mutter, die ihr unendlich viel Leid zugefügt und sie vernachlässigt hat, eine Woche lang besucht wird. Diese Situation hat das Jugendamt gefördert und sieht sich im Recht, obwohl die Mutter einer Traumatherapie immer widersprochen hat. Ein Schreiben an die jetzt zuständige Sachbearbeiterin, in dem ich die damit verbundenen Gefahren, die wissenschaftlich erwiesen sind, beschrieb, blieb ohne Antwort.

Mir ist sehr wohl bewußt, dass die Jugendpflege in der Kompetenz der Landkreise liegt. Dennoch möchte ich Ihnen die Frage stellen, in welcher Weise sich eine von Ihnen geführte Landesregierung für ds Kindeswohl der vielen Pflegekinder in Brandenburg einsetzen würde, um deren schwere Situation nicht noch zusätzlich durch behördliches Handeln zu erschweren, sondern sie in ihrer Entwicklung in Pflegefamilien zu unterstützen. Sicherlich wäre es Ihnen bzw. Ihrer Verwaltung möglich, mein Anliegen an die Verantwortlichen weiter zu leiten und Kraft Ihres Amtes Einfluss zu nehmen.

Ihre Stellungnahme erwarte ich mit Interesse.

+106

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Matthias Platzeck am 15. Oktober 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Gehrke,

ich bedanke mich nicht nur für Ihren Eintrag auf meinem Portal, sondern vor allem für Ihre so ungemein wichtige Arbeit als Pflegevater. Diese, Ihre Tätigkeit verdient höchste gesellschaftliche Anerkennung. Sie und viele andere in unserem Land ermöglichen durch tägliches Engagement Kindern in schwierigen Situationen ein neues Leben in harmonischer und liebevoller Atmosphäre. Sie berichten, sehr geehrter Herr Gehrke, von Ihrem Einsatz und von vielen Gesprächen mit brandenburgischen Pflegeeltern. Damit tun Sie mehr, als man von einem Pflegevater erwarten kann. Sie kümmern sich auch um andere. Bitte lassen Sie sich nicht entmutigen, machen Sie weiter!

Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung die wertvolle Arbeit von Pflegeeltern und Pflegekinderdiensten schätzt und sie im Rahmen der fachlichen Unterstützung konsequent fördert. So bietet das Landesjugendamt seit Jahren regionale Foren zur Fachentwicklung der örtlichen Pflegekinderdienste an. Und auch in der Fortbildung unterbreitet das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg kontinuierlich Angebote für Pflegeeltern und für Fachdienste in diesem Arbeitsfeld. Dabei hat die Qualifizierung des so genannten Hilfeplanprozesses einen hohen Stellenwert bei der Fortbildung der Fachkräfte des Jugendamtes.

Sehr geehrter Herr Gehrke, bitte haben Sie Verständnis, wenn ich Ihre geschilderten Erfahrungen nicht im Einzelnen kommentieren kann. Angelegenheiten der Jugendhilfe liegen im Einzelfall in örtlicher Zuständigkeit – so wie Sie das auch geschrieben haben.

Gestatten Sie mir dennoch einige Anmerkungen. Ich glaube, dass Pflegekinder ihren leiblichen Eltern auch dann noch verbunden bleiben, wenn deren Erziehungskompetenz aus fachlicher Sicht zu Recht in Frage gestellt worden ist. Wir sind uns sicher einig: Es geht hierbei um ein sehr komplexes Beziehungsgefüge. Stets verantwortungsvoll das Richtige zu tun, ist eine immer wieder schwierige Aufgabe für Pflegeeltern und Jugendamt. Wenn eine gemeinsame, öffentliche und private Verantwortung für das Kind nicht wahrgenommen werden kann, muss die Frage des Personensorgerechts häufig auch vom Familiengericht entschieden werden. Den Kindern helfen diese Konflikte meist am wenigsten. Sie wollen in der Regel eine stabile und harmonische Zusammenarbeit ihrer Bezugspersonen. Das ist in der Regel am besten für das Kindeswohl.

Eine große Bedeutung haben dabei die auch von Ihnen angesprochenen Hilfeplangespräche, in denen die Probleme, aber auch die Stärken eines Kindes mit Blick auf die mögliche Hilfe erörtert werden. Von Seiten der Obersten Landesjugendbehörde bestehen keinerlei Zweifel daran, dass an diesen Hilfeplangesprächen all diejenigen, die mit dem Kind und der Hilfe befasst sind, auch beteiligt werden sollen. Ob dies auch für einen Beistand gilt, der in der Regel nur für Fragen der Vaterschaftsfeststellung oder für Angelegenheiten des Unterhalts eingesetzt ist, hängt vom Einzelfall ab.

Sehr geehrter Herr Gehrke, wenn Sie in Ihrem konkreten Einzelfall eine fachliche Unterstützung in Anspruch nehmen möchten, empfehle ich Ihnen eine Kontaktaufnahme mit Frau Tripp im Landesjugendamt unter der Telefonnummer 03338 - 701 – 850.

Mit freundlichem Gruß