Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor R. Schwendener am 07. September 2009
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Soziales

Umschulungsförderung für ältere Hartz4-Bezüger

Sehr geehrter Herr Platzeck,
warum erziehen Sie Ihre Beamten zu Paragraphenreitern ohne Seele? Beispiel: Ein 37jähriger Hartz4-Empfänger hat sich nach dem Scheitern seiner beruflichen Ausbildungen, an dem auch seine persönliche/private Situation einen beträchtlichen Anteil hatte, endlich aus dem "Loch" befreit, in das er vor Jahren gefallen ist und sich entschlossen, eine Ausbildung anzugehen, die auf dem bisher Gelernten aufbaut. Was macht Ihre Hartz4-Filemnagerin: Beiträge werden gestrichen, wenn er die Ausbildung in der Nähe seines Wohnortes absolviert, weil (das renommierte Klinikum Buch in diesem Falle) ein Zertifizierungspunkt fehlt, der zur weiteren Unterstützung (so im Gesetz vorgeschrieben) bis Ausbildungsende fehlt und er dem höheren Alter entsprechend über Bafög nicht unterstützungsberechtigt ist. Sucht er sich aber eine Ausbildungsstätte irgendwo in der BRD mit dieser in Buch fehlenden Zertifizierung, wird alles bezahlt: Umzug und sämtliche Beiträge zum Leben... Da stimmt doch etwas nicht! Sieht in Deutschland so Hilfe für Leute aus, die so schon am Rande der Existenz leben? Wann bitte, wird Ihre Politik beweglicher, fern aller bürokratischer Normen? Gibt es wirklich nur das Gesetz ohne Seele oder können Sie dem nun nicht mehr jungen Mann helfen, wieder ins Leben und Mut zu finden?
Mit freundlichem Gruss!

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Antwort
von Matthias Platzeck am 24. November 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrte Frau Schwendener,

wenn Sie in älteren Einträgen auf diesen Internetseiten blättern, werden Sie feststellen, dass die Themen Bürokratie und Servicequalität in Verwaltungen die Menschen permanent bewegen. Ich danke auch Ihnen für Ihr Mühen.

Zunächst bin ich mit Ihnen einer Meinung: Bürgerinnen und Bürger sollten sich in Ämtern nicht als Bittsteller behandelt fühlen. Sie sind Kunden und können eine professionelle Dienstleistung erwarten. Diesen Anspruch habe ich in meiner Zeit als Oberbürgermeister von Potsdam durch den so genannten „Bürgerservice“ umzusetzen versucht. Mit diesem kompakten Angebot gelingt es, dem am häufigsten vorgebrachten Ärgernis bei Behördengängen zu begegnen: Eine zentrale Auskunftsstelle mit gut ausgebildeten Mitarbeitern informiert die Bürgerinnen und Bürger zielgerichtet über die weiteren Wege.

Doch auch bei noch so kundenorientierter Betreuung in den Verwaltungen kann es vorkommen, dass der vom Einzelnen favorisierte Weg nicht mit der Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen ist. Das scheint mir auch in dem von Ihnen beschriebenen Fall so zu sein.

Denn an die Förderung der beruflichen Weiterbildung hat der Gesetzgeber aus gutem Grund umfangreiche Voraussetzungen gebunden. Um es kurz und knapp zu sagen: Das zur Verfügung stehende Geld zur Weiterbildung soll so eingesetzt werden, dass möglichst vielen Menschen durch fundierte Qualifizierung beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt erwachsen. Ausbildung, die den Betroffenen wenig bringt, soll ebenso verhindert werden wie Angebote unseriöser Bildungsträger.

Insofern haben die Betreuer in den Jobcentern natürlich zu prüfen, ob die Weiterbildung die Eingliederungschancen des Absolventen erheblich verbessern würde. Es sollte die begründete Aussicht bestehen, dass ihm ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden kann. Ich denke, sehr geehrte Frau Schwendener, das ist ein richtiger Ansatz. Der so genannte Fallmanager sollte sich deshalb vor Beginn der Weiterbildung mit dem Betroffenen zusammen setzen und mit ihm gemeinsam sachkundig die Perspektiven besprechen. Wichtig dabei ist, und jetzt kommen wir zum offensichtlichen Knackpunkt in dem von Ihnen beschriebenen Fall: Förderung kann es nur geben, wenn der Bildungsträger und auch die angestrebte Ausbildung nach der so genannten „Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung“ zertifiziert sind.

Alle drei im Gesetz genannten Voraussetzungen müssen vorliegen. Sie erwähnen in Ihrem Schreiben, dass dem zweifellos anerkannten Klinikum Buch ein Zertifizierungspunkt als Bildungsträger fehle. Offensichtlich scheiterte die Förderung also an einer wichtigen Voraussetzung - der Zertifizierung. Diese ist jedoch ein Qualitätsmerkmal um zu gewährleisten, dass der Bildungsträger bestimmte Anforderungen erfüllt. Deshalb wäre die Bewilligung einer nicht zertifizierten Ausbildung letztlich ungesetzlich und rechtswidrig.

Sehr geehrte Frau Schwendener, ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sie bestürzt über die Ablehnung waren. Persönliche Schicksale lassen einen nicht kalt. Umso wichtiger finde ich es nun, dass der Betroffene nicht resigniert, sondern sich erneut mit seinem Betreuer zusammensetzt und nach einem zertifizierten Bildungsträger sucht, der eine entsprechende Ausbildung anbietet. Ich wünsche ihm sehr, dass seine Beharrlichkeit letztlich zum Erfolg führt und er nach einer guten, fundierten Weiterbildung einen neuen zukunftsfesten Arbeitsplatz findet.

Mit freundlichen Grüßen