Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor E. Feuchtwanger am 06. Dezember 2011
14611 Leser · 84 Stimmen (-1 / +83) · 10 Kommentare

Landesregierung

Brandenburger sind unzufrieden mit der Demokratie

Sehr geehrter Ministerpräsident,

in einer aktuellen Studie wurde uns Brandenburgern bescheinigt, mit der Demokratie an sich unzufrieden zu sein.
Mehr als im Bundesdurchschnitt und mehr als im europäischen Rahmen.

Aus persönlichen Erfahrungen kann ich das nur bestätigen. Die meisten fühlen sich nicht wirklich ernst genommen mit ihren Sorgen und Problemen. Oder sie interessieren sich einfach wirklich nicht dafür (kann man teilweise auch auf dieser Plattform beobachten).

Was können Sie tun? Was können wir tun?

Ich glaube nicht, das die Ex-DDR noch immer eine sooo große Rolle spielt. Selbsteinschätzung als Verlierer der Wiedervereinigung und einer eher positiven Einschätzung der DDR-Vergangenheit ist in meinen Augen nicht mehr relevant.

Doch wie können wir (bzw. die Landesregierung) die Bevölkerung mehr zu aktiver Politik bringen?

+82

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Antwort
von Matthias Platzeck am 23. Februar 2012
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Feuchtwanger,

Ihre Frage thematisiert ein aus meiner Sicht sehr wichtiges Problem: Was können wir alle tun, um mehr Menschen für die Demokratie zu begeistern? Es ist ein unschätzbares Gut, dass seit 22 Jahren in unserem Land nur noch Menschen geboren werden, die Mangel an Freiheit´ nicht mehr selbst erleben mussten. Auf der anderen Seite gibt es eine Lebensweisheit, wonach man das höher schätzt, was man sich erkämpft oder erarbeitet hat, als das einem in den Schoß gelegte. Nachrichtenbilder etwa aus Syrien oder dem Jemen zeigen anschaulich, wie opferreich der Kampf um Demokratie sein kann. Das erinnert daran, dass auch bei uns im heutigen Ostteil Deutschlands Bürgerinnen und Bürger mit Courage und Mut Freiheit und Demokratie erkämpften. Diese Erfahrung sollten wir weitergeben. Das Wichtigste ist, dass Demokratie nur durch das Mittun, das Engagement der Menschen funktioniert. Insofern sprechen wir, sehr geehrter Herr Feuchtwanger, nicht nur von einer politischen Aufgabe, sondern von der Herausforderung für die ganze Gesellschaft, die Demokratie lebendig zu halten und auch für sie zu begeistern.

Natürlich können wir auch politisch einiges bewegen – und tun das auch. So hat der Landtag auf Vorschlag der Regierungskoalition das Wahlalter auf Kommunal- und Landesebene auf 16 Jahre gesenkt. Ich hoffe, dass viele junge Menschen von diesem Recht Gebrauch machen, auch weil es eben deutlich macht, dass nicht nur über Jugendliche entschieden wird, sondern dass sie auch mitentscheiden dürfen. Zudem haben wir in dieser Legislaturperiode die Hürden für Volksbegehren gesenkt und damit den Weg für mehr direkte Demokratie geebnet. So ist mehr unmittelbare Mitbestimmung möglich, auch abseits von Wahlen. Mein Ziel ist und bleibt: Wir wollen es den Brandenburgerinnen und Brandenburger einfacher machen, an Entscheidungen teilzuhaben. Deshalb hat das Verfassungsprinzip der kommunalen Selbstverwaltung auch eine überragende Bedeutung. Dort, wo Entscheidungen sich ganz direkt auswirken, können sich Einwohnerinnen und Einwohner unmittelbar einbringen und wo noch ungenutzte Möglichkeiten bestehen, sollten wir Spielräume nutzen. Ich denke dabei auch an die Möglichkeit von Bürgerhaushalten.

Ein großes Potential zur Beteiligung von vielen Menschen an politischen Prozessen sehe ich zudem durch neue technische Möglichkeiten im Internet. Ich beobachte mit großem Interesse, was in diesem Bereich passiert. Bei allen noch offenen Fragen etwa zum Datenschutz bin ich mir sicher, dass diese neuen Beteiligungsformen noch deutlich mehr Einfluss auf unsere Demokratie nehmen werden.

Nicht zuletzt die Entwicklungen auf diesem Gebiet bestärken mich, sehr geehrter Herr Feuchtwanger, in meiner Überzeugung, dass es in unserer Gesellschaft viel Gestaltungswillen gibt. Viele Menschen wollen „Mitmachen“. Auch junge Leute machen die Erfahrung, dass Politik weder langweilig noch trocken ist, sondern auch Spaß machen kann. Der Landkreis Havelland hat dafür eine Initiative mit dem Titel „Politik sucht Dich“ gestartet. Jugendliche sollen dabei mit ehrenamtlicher politischer Arbeit vertraut gemacht und dafür begeistert werden. Das ist eine tolle Idee, die hoffentlich Schule macht.

Summa summarum glaube ich, dass die Unzufriedenheit mit unserer Demokratie gar nicht so groß ist. Das belegt übrigens auch die von Ihnen genannte Umfrage: Die übergroße Mehrheit der Menschen in Brandenburg findet die Idee der Demokratie gut und auch ihre Ausgestaltung im Land stößt auf Zustimmung. Weil aber die vielfältigen Prozesse immer komplexer werden, wird es für die Politik in Zukunft noch wichtiger, Menschen mitzunehmen und für eine breite Beteiligung zu sorgen. Das ist mein Anspruch.

Mit freundlichen Grüßen


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