Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Nicole Flindt am 11. Februar 2009
9116 Leser · 73 Stimmen (-0 / +73) · 0 Kommentare

Sonstiges

Gnadengesuch

Sehr geehrter Herr Platzeck,

im November letzten Jahres hat sich ein Mann aus Jüterbog mit einem
Gnadengesuch an sie gewannt. Sie haben ihn abgelehnt !
Heute habe ich aus der Zeitung von diesem Fall gelesen und bin zutiefst entsetzt über ihre Entscheidung.

Sicherlich ist das Begehen einer Straftat (Körperverletzung, weil sein Arbeitgeber ihm seinen Lohn nicht zahlte) zu bestrafen.
Herr Wirth wurde zu acht Monaten auf Bewährung und einer
Geldstrafe von 300,-€ verurteilt. Die Geldstrafe konnte der Vater eines
12 Jahre alten Sohn nicht bezahlen. Die Bewährung wurde widerrufen.
Seit dem 6. Februar sitzt Herr Wirth nun seine Strafe in der JVA Brandenburg ab. Sein Sohn Benni wohnt in dieser Zeit bei einer Nachbarin, denn seine Mutter hat die Familie vor 10 Jahren verlassen....
Warum wandelt man in solch einem Fall die Geldstrafe nicht in Gemeinnützige Arbeit um? Wird in Deutschland Armut doppelt bestraft?

Ich zweifle an der Verhältnismässigkeit dieses Urteils!
Ein Träger des großen Bundesverdienstkreuz und Steuern hinterzogen hat zahlt seine Geldstrafe und verlässt als freier Bürger den Gerichtssaal. Kuhhandel...?

Herr Platzeck,sie sind selber Vater,haben sie beim lesen des Gnadengesuch nicht einmal an diese Familie gedacht?

In der Hoffnung,dass ihnen die Gesamtsituation dieser Familie gar nicht bekannt war und sie sich nun durch meinen Brief noch einmal damit befassen

verbleibe ich mit freundlichen Grüssen

Nicole Flindt

+73

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Antwort
von Matthias Platzeck am 16. März 2009
Matthias Platzeck

Sehr geehrte Frau Flindt,

es gehört zu den wertvollsten Eigenschaften von Menschen, wenn sie das Schicksal von Nachbarn und Freunden, aber auch von Fremden nicht gleichgültig lässt. Anteilnahme für Frauen, Männer und Kinder, denen vermeintlich Unrecht widerfahren ist oder die unverschuldet in Not geraten sind, ist ein wertvolles Gut. Da sind wir sofort einer Meinung und deshalb, sehr geehrte Frau Flindt, beantworte ich Ihren Eintrag auf dem direktzu-Portal sehr gerne. Und das umso mehr, als dass die Antwort mir Gelegenheit gibt, ein paar – sagen wir es zurückhaltend - Einseitigkeiten richtig zu stellen, die sich in die Berichterstattung eingeschlichen haben.

Gleich vorweg: Nicht erst seit Sie Ihre Anfrage wegen des Gnadengesuchs von Herrn René Wirth ins Netz gestellt haben, beschäftigt mich diese Angelegenheit. Schon als Einzelheiten über die Inhaftierung von Herr Wirth presseöffentlich diskutiert wurden, habe ich mir ein eigenes Bild von der Situation gemacht und mich unterrichten lassen.

Doch nun der Reihe nach: Sie schreiben unter Berufung auf Zeitungsberichte, ich hätte das Gnadengesuch abgelehnt. Richtig ist: Als Ministerpräsident habe ich mir das nach der Verfassung zustehende Begnadigungsrecht nur für besondere schwer wiegende Fälle vorbehalten. Bei Herrn Wirth habe ich es also gar nicht ausgeübt. Denn über Gnadengesuche zu Urteilen wie das im Fall Wirth entscheidet bei uns in Brandenburg die Justizministerin, die dieses Recht wiederum etwa an Staatsanwaltschaften delegieren kann. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass gerade in minder schweren Fällen vor Ort fundierter und sachkundiger über ein Gnadengesuch befunden werden kann als durch den Ministerpräsidenten oder die Ministerin.

Aber auch in der zeitlichen Abfolge ist die Berichterstattung, auf die Sie sich beziehen, offensichtlich nicht ganz korrekt. Denn am 11. Februar, als Sie Ihre Anfrage unter Bezug auf Presseveröffentlichungen auf das direktzu-Portal stellten, war über das Gnadengesuch noch gar nicht entschieden. Erst am 19. Februar 2009 (!) – also eine Woche später – erfolgte die Ablehnung des Gnadengesuchs. Diese Entscheidung – so will es unser Recht – muss nicht begründet werden. Weil jedoch dieser Fall soviel öffentliche Aufmerksamkeit gewann, nur soviel: Die Entscheidung wurde auch in Anbetracht des Vorlebens des Verurteilten getroffen. Bitte haben Sie Verständnis: Mehr kann und will ich dazu nicht ausführen, denn auch ein Ministerpräsident muss sich an Recht und Gesetz halten.

Sehr geehrte Frau Flindt, bei aller verständlichen Anteilnahme am Schicksal von Herrn Wirth und seinem Sohn sollten Sie nicht vergessen: Der Mann war auf Bewährung und zu einer Geldstrafe verurteilt, das heißt ein Absitzen der Strafe im Justizvollzug war von den Richtern nicht beabsichtigt. Herr Wirth hat aber – so wurde mir berichtet - vielfältige Aufforderungen der Behörden verstreichen lassen, seine Geldstrafe zu zahlen. Auch die Möglichkeit der Ratenzahlung nutzte er nicht. Ich persönlich finde die Lösung gut, dass der 12-jährige Sohn im Einvernehmen mit beiden sorgeberechtigten Elternteilen nicht in eine Jugendhilfeeinrichtung ziehen muss, sondern einer ihm bekannten Nachbarin zur Obhut übergeben wurde. Das Jugendamt hat – da bin ich mir sicher - deren familiäre Verhältnisse sorgfältig geprüft.

Gestatten Sie mir abschließend noch eine Bemerkung zu Ihrem Vergleich mit Urteilen der jüngsten Zeit zu Steuerhinterziehung von Prominenten. Einige dieser Urteile haben in der breiten Bevölkerung unseres Landes Empörung hervorgerufen, gleichwohl sie sicherlich rechtlich nicht zu beanstanden sind. Wie Sie vielleicht wissen, steuert deshalb die Bundesregierung gegen und hat im Januar einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der Urteilsabsprachen künftig klar regeln und für Transparenz im Gerichtssaal sorgen soll.

Sehr geehrte Frau Flindt, ich hoffe, ich habe einiges richtig stellen können. Insofern hat Ihr öffentliches Plädoyer etwas bewirkt. Bleiben Sie weiter so aufmerksam und kritisch, bewahren Sie sich Ihre Gabe, Anteil am Schicksal anderer zu nehmen.

In diesem Sinne mit freundlichem Gruß