Sehr geehrter Herr Pietzsch,
mit Ihrer Frage zu Kleinwasserkraftanlagen rücken Sie einen Techno- logiebereich der Erneuerbaren Energien in das öffentliche Bewusstsein, der bislang in der Diskussion um unsere künftige Energieversorgung nur wenig Beachtung findet. Insofern gilt Ihnen schon allein deshalb mein Dank für Ihre Wortmeldung. Wir sind uns sicher einig: Wasserkraftanlagen dienen schon seit Jahrhunderten als Antriebstechnologie und später zur Energiegewinnung, indem das Gefälle von geeigneten Flussläufen genutzt wird. Bis zum 19. Jahrhundert waren es ausschließlich Wasserräder, seit etwa 1850 kam die Turbinentechnik dazu.
In Ihrer Wortmeldung äußern Sie zwei grundsätzliche Bedenken gegen diese Technologie. Zunächst zum Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit: Ihre pauschale Äußerung will ich so nicht im Raum stehen lassen. Welcher Investor würde schon eine Wasserkraftanlage reaktivieren oder neu errichten, wenn dauerhaft „rote Zahlen“ geschrieben würden? Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Teil der Investitionssumme für ökologische Ausgleichsmaßnahmen aufgewendet werden muss. Für das Land Brandenburg gilt: Sofern für ein solches Vorhaben Fördermittel zur Verfügung gestellt werden, geschieht dies nur, wenn die Vorgaben auch des Naturschutzes erfüllt werden. So darf gemäß Wasserhaushaltsgesetz die Nutzung von Wasserkraft nur zugelassen werden, wenn zugleich geeignete Maßnahmen zum Schutz der Fische ergriffen werden. Eine entsprechende Anpassungspflicht gilt auch für Wasserkraft- anlagen, die schon vor dem 1.März 2010 bestanden.
Sie haben recht: Aufgrund der Einspeisevergütung mach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz haben die brandenburgischen Wasserbehörden ständig Anträge für Wasserkraftanlagen zu bewerten. Brandenburg hat zu diesem Zweck ein Durchgängigkeitskonzept für die wichtigsten Fließgewässer erarbeitet. Gewässer, die von regionaler oder überregionaler Bedeutung für die Durchgängigkeit der Fische sind, erhalten vom Landesamt für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz grundsätzlich keine Zustimmung für den Neubau beziehungsweise die Rekonstruktion von Anlagen. Das gilt etwa für die Spree, die Stepenitz oder auch die Havel.
Auf der anderen Seite ist ganz klar und damit bin ich bei Ihrem zweiten Einwand, dass eine Wasserkraftanlage immer auch ein Eingriff in die biologische Struktur des jeweiligen Gewässers ist. Und ich stimme mit Ihnen überein, dass in der Vergangenheit bei der Errichtung von Wasserkraftanlagen die Fischkunde nicht immer ausreichend berücksichtigt wurde. Hier hat es in den vergangenen Jahren aber durchaus eine „Lernkurve“ gegeben. Mit einer Reihe von Maßnahmen wird versucht, die Durchgängigkeit für Fische zu erhöhen. Die von Ihnen angeführte Sendung zur Unckelmühle an der Sieg in Nordrhein-Westfalen, die 2012 mit einer neuen Fischschutzanlage ausgerüstet wurde, zeigt, dass Energiegewinnung mittels Wasserkraft und Fischschutz kein Widerspruch sein müssen.
Vielleicht noch ein grundsätzliches Wort zum Schluss. In Deutschland, aber auch weltweit stehen die Menschen vor der Aufgabe, die Energiegewinnung im Einklang mit dem Klimaschutz neu zu organisieren, um die Erderwärmung zu stoppen. Nach der festen politischen Überzeugung hier bei uns in der Bundesrepublik darf die Atomkraft dabei keine Rolle mehr spielen. Um aber dennoch eine sichere und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten, bedarf es vielfältiger Anstrengungen und immer wieder auch neuer Ideen. Die uralte Technik zur Nutzung der Wasserkraft kann dabei – bereichert um moderne Verfahren zum Schutz der Flussfauna - als klimaschonendes Puzzleteil durchaus eine Rolle spielen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Platzeck
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